Nachgefragt bei Andreas Renschler: Was bedeutet Selbstorganisation, wozu benötigt ein Unternehmen Selbstorganisation und wie funktioniert diese?

BildAuch Andreas Renschler hat sich im Laufe seiner Manager-Karriere mit dem Thema Selbstorganisation und Führungskultur auseinandergesetzt, welches aktuell wieder viel diskutiert. Dabei zeichnet sich ein selbstorganisiertes Unternehmen durch das Fehlen einer hierarchischen Führung aus, sodass sich das Team selbst führt. Aber wie ist das in der Praxis umsetzbar? Arbeitet jemand, wenn Führungskräfte abgeschafft werden und jeder macht was er will? Wir haben uns das von Andreas Renschler erläutern lassen.

WAS BEDEUTET SELBSTORGANISATION?

Bei der Organisationsform der Selbstorganisation wird die Führung in das Team integriert. Das heißt, Teammitglieder übernehmen Aufgaben, die sonst Führungskräfte erledigen. Die Mitarbeiter leiten sich selbst, strukturieren den Arbeitsalltag, tragen Verantwortung und haben Entscheidungsfreiheiten. Hierarchische Strukturen im Unternehmen entfallen, beschreibt Andreas Renschler.

WOZU BENÖTIGT EIN UNTERNEHMEN SELBSTORGANISATION?

Es gibt zahlreiche Gründe, die für die Selbstorganisation eines Unternehmens sprechen, betont Renschler. Dabei geht es in erster Linie darum, die Organisation erfolgreicher zu machen. Die zwei wichtigsten Faktoren sind dabei die Mitarbeitermotivation und eine kurze Reaktionszeit auf sich verändernde Bedingungen oder Gegebenheiten.

o Motivation: Laut einer Studie in den USA arbeiten dort 70 % der Belegschaft lustlos und unmotiviert. Als Grund wird die Führungsebene genannt. Dadurch sind jährliche Verluste von 450 bis 550 Milliarden Dollar zu verzeichnen. Sobald Mitarbeiter sich aber selbst organisieren dürfen und mehr Gestaltungsfreiraum und Möglichkeiten erhalten, identifizieren diese sich mehr mit dem Arbeitgeber und den Aufgaben. Die Freude am Arbeiten und die Sorgfalt nehmen zu.

o Kurze Reaktionszeit: Unvorhersehbare Veränderungen werden immer häufiger und führen dazu, dass Pläne und langfristig angelegte Strategien nicht mehr funktionieren. Selbst Anordnungen der Geschäftsführung können beim Erreichen der entsprechenden Abteilung bereits wieder obsolet sein, da inzwischen eine völlig andere Situation vorherrscht. Hinzu kommt, dass ein Kunde in der digitalen Welt rasche Antworten erwartet. Durch eine möglichst große Entscheidungsfreiheit für die Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, dass diese rechtzeitig reagieren können. Müsste die Entscheidung erst durch mehrere Hierarchieebenen gereicht werden, wird das Unternehmen den Kundenbedürfnissen nicht gerecht.
Die Theorie der Selbstorganisation geht davon aus, dass eine Organisation schneller ist, je dezentraler sie ist.

WIE FUNKTIONIERT SELBSTORGANISATION?

Heutzutage erfordern die meisten Aufgaben, dass die Mitarbeiter mitdenken. Denkt ein Mitarbeiter aber nicht mit oder trifft nicht selbstständig Entscheidungen, da jemand ihm die Arbeiten vorgibt, läuft das Unternehmen Gefahr, an den Aufgaben zu scheitern. Eine Trennung von Entscheidung und Durchführung macht ein Unternehmen unflexibel, merkt Andreas Renschler an. Aus diesem Grund setzen Unternehmen vermehrt auf Selbstorganisation. Die Mitarbeiter sollen selbstständig im Sinne des Unternehmens agieren. Um eine Firma in ein selbstorganisiertes Unternehmen umzuwandeln, benötigt es:

o Strukturen und Regeln, die definieren, wer in welchem Fall welche Entscheidungen treffen kann.

o Die Aufgaben der Unternehmensführung werden neu definiert. Die Managementebene ist nicht mehr dazu da, alles zu bestimmen und zu kontrollieren. Vielmehr soll diese fortan Prozesse moderieren, bei Schwierigkeiten helfen, Abläufe vereinfachen und die Unternehmenskultur im Auge behalten. Die Führung ist für die Wertvermittlung des Unternehmens und die klare Kommunikation der Unternehmensziele verantwortlich.

o Alle benötigten Informationen zur Erledigung der unterschiedlichen Aufgaben werden transparent gemacht. Nur wenn die Möglichkeit besteht, sich schnell und unkompliziert zu informieren, sind die Mitarbeiter handlungsfähig.

o Die Bereitschaft zur Kommunikation und Zusammenarbeit der Mitarbeiter ist ein wesentlicher Punkt für das Gelingen eines selbstorganisierten Unternehmens. Da die Kommunikation in vertikaler Richtung abnimmt, wird die horizontale Kommunikation wichtiger. Es braucht die grundsätzliche Bereitschaft aller Mitarbeiter mit anderen zu kooperieren, zuzuhören und sich einzubringen.

Weitere Punkte sind ein ziel- und lösungsorientiertes Arbeiten und eine kontinuierliche Planung, hebt Andreas Renschler abschließend hervor.

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Andreas Renschler ist ein deutscher Manager, der viele Jahre Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG war und dort zuständig für den Geschäftsbereich Nutzfahrzeuge. Vor der VW AG war er zuerst Vorstandsmitglied der Daimler AG und anschließend verantwortlich für die Produktion und den Einkauf der Mercedes-Benz Cars sowie für das gesamte Geschäftsfeld der Mercedes-Benz Vans. Zuletzt war er Vorstandsvorsitzender der Traton AG.

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