Stefan Kühn kommentiert die aktuelle Krise auf dem E-Automarkt, die auf dem Autogipfel am 23. September thematisiert wurde.

BildAuf dem Gipfel, an dem Wirtschaftsminister Robert Habeck sowie Vertreter der großen Automobilhersteller, der Zulieferer, der IG Metall und des Verbandes der deutschen Automobilindustrie teilnahmen, wurde heftig über mögliche staatliche Hilfen für die deutsche Schlüsselindustrie diskutiert. Angeheizt wurde die Debatte vor allem durch die von der SPD ins Spiel gebrachte Einführung einer „Abwrackprämie 2.0“. Doch sind diese Maßnahmen der richtige Weg, um die Herausforderungen der Automobilindustrie zu lösen?

Der Vorschlag einer Abwrackprämie 2.0

Der Vorschlag der SPD sieht die Einführung einer Abwrackprämie vor, um den Absatz von Elektroautos zu fördern. Wer seinen alten Verbrenner verschrottet und ein neues E-Auto kauft, soll einen Bonus von 6.000 Euro erhalten. Beim Kauf eines gebrauchten E-Autos soll es immerhin noch 3.000 Euro geben. Auf den ersten Blick scheint dies ein attraktiver Ansatz zu sein, der sowohl der Umwelt als auch der Automobilindustrie hilft. Auf den zweiten Blick stellen sich jedoch Fragen der Finanzierung und der Wirksamkeit.

Stefan Kühn: „Die Idee einer Abwrackprämie zur Förderung der Elektromobilität ist nicht neu. Bereits 2009, während der Finanzkrise, wurde eine solche Prämie eingeführt. Damals betrug die Prämie 2.500 Euro und sollte die Nachfrage in der kriselnden Autoindustrie ankurbeln. Doch anders als damals haben wir es heute mit strukturellen Problemen zu tun, die sich nicht so einfach mit Prämien lösen lassen. Die größte Herausforderung liegt in der Finanzierung. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Haushalt gerügt hat und die finanziellen Mittel begrenzt sind, bleibt die Frage: Wer soll die Prämie bezahlen? Darauf gibt es keine klare Antwort, und genau das schwächt die Glaubwürdigkeit des Vorschlags.

Die Frage nach der Wirksamkeit

Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer sind skeptisch, was die Wirksamkeit der Abwrackprämie angeht. Auch Wirtschaftsminister Habeck sieht tiefgreifende Probleme, insbesondere bei Volkswagen (VW), einem der größten deutschen Autobauer. VW kämpft nicht nur mit internen Schwierigkeiten, sondern auch mit der Konkurrenz aus China, wo billigere Elektrofahrzeuge zunehmend den Markt dominieren. Es stellt sich die Frage, ob eine deutsche Abwrackprämie diesen globalen Herausforderungen überhaupt gewachsen ist.

Stefan Kühn: „Eine nationale Lösung für ein globales Problem – das ist ein Widerspruch in sich. Selbst wenn es gelingt, mit einer Abwrackprämie die Nachfrage in Deutschland zu steigern, ändert das nichts an den strukturellen Problemen der Branche. Die starke Konkurrenz aus China wird dadurch nicht gemildert. Zudem wird der Absatzrückgang auf dem chinesischen Markt, der für viele deutsche Hersteller ein wichtiger Absatzmarkt ist, nicht durch Maßnahmen in Deutschland kompensiert. Es ist daher fraglich, ob die Prämie die erwünschten Effekte erzielen kann.
erzielen kann.“

Hausgemachte Probleme bei VW

Ein weiteres zentrales Thema ist der Reformstau bei VW. Die starke Position des Landes Niedersachsen als Miteigentümer und der mächtige Betriebsrat blockieren notwendige Veränderungen im Unternehmen. Dies führt zu einer Situation, in der Reformen nur schwer durchsetzbar sind. Mögliche Werksschließungen oder Entlassungen bleiben daher ungewiss.

Kommentar von Stefan Kühn: „Die Probleme bei VW sind weitgehend hausgemacht. Der starke Einfluss von Eigentümern und Betriebsrat verhindert oft notwendige Veränderungen. Während andere Hersteller agiler auf die Herausforderungen des Marktes reagieren, wird bei VW immer noch über alte Strukturen diskutiert. Das zeigt, dass die Probleme tiefer liegen und nicht einfach durch eine staatliche Prämie gelöst werden können“.

Umfassende Reformen notwendig

VW-Vertriebsvorstand Martin Sander betonte bei einem Treffen mit Robert Habeck im Werk Emden die Bedeutung wettbewerbsfähiger Energiekosten für den Standort Deutschland. Damit wird deutlich, dass es nicht nur um kurzfristige Absatzförderung geht, sondern um die grundsätzliche Frage der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.

Dazu Stefan Kühn: „Der Schlüssel liegt nicht in einer kurzfristigen Prämie, sondern in der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Niedrigere Energiekosten und ein investitionsfreundliches Umfeld sind entscheidend, um den Standort Deutschland attraktiv zu halten. Nur so kann die Automobilindustrie nachhaltig gestärkt werden. Hier sind Kreativität und Weitsicht gefragt, nicht die Wiederholung alter Ideen.

Fazit
Die Krise des Automobilmarktes ist komplex und erfordert durchdachte Lösungen. Eine Neuauflage der Abwrackprämie erscheint angesichts der globalen Herausforderungen, insbesondere der Konkurrenz aus China und der hausgemachten Probleme bei VW, nicht ausreichend.

Stefan Kühn plädiert für eine umfassendere Reform des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Niedrigere Energiekosten und bessere Rahmenbedingungen für Investitionen könnten der deutschen Automobilindustrie mehr helfen als kurzfristige Prämien. Der Fokus müsse auf der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit liegen – nur so könne die Krise nachhaltig überwunden werden.

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Stefan Kühn ist Betriebswirt, Volkswirt und Autor und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Wandel der Wirtschaft, den Interdependenzen der Märkte und der politischen Einflussnahme auf Unternehmen, Gesellschaft und den Geldmarkt. In seinem Buch „Einmal Theorie und Praxis der Finanzmärkte und zurück!“ führen erfahrene Autoren durch das komplexe Geflecht von Fiskal- und Geldpolitik, Aktienmärkten, Klimaneutralität und der aufstrebenden Weltmacht China. Dabei geht er nicht nur rein wissenschaftlich vor, sondern bezieht seine Erkenntnisse aus seiner langjährigen Tätigkeit als Unternehmer, ehemaliges Vorstandsmitglied und Berater des Managements überwiegend börsennotierter Unternehmen.

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